Warum scheint es, als können Messies nichts weg werfen, was für das Auge eines Anderen Müll oder Altpapier ist? Weshalb können sie sich von nichts trennen, aber vom Rest der Wohnung trennen lassen durch all das Gerümpel, das ihnen den Weg versperrt?

Ich versuche es aus Sicht des Besuchers zu begreifen: Was ist hier vorgefallen? Was ist schief gelaufen?

Oder eine Erinnerung an meine Kindheit: Wenn ich ganz viel Spielzeug auf dem Fußboden hatte, und es überall im Zimmer verteilt lag, musste meine Mutter aufpassen, wo sie hintrat, damit sie kein Spielzeug kaputt machte. Der Kram "beschützte" mich quasi vor ihr.

Dann gab es die Zeit, in der ich vorzugsweise las, alles, was mir aus der hausinternen Bibliothek in die Hände fiel. Zunächst tat ich mich schwer mit der Sütterlinschrift, lernte sie aber dann doch, sozusagen notgedrungen, weil wir eine uralte Bibliothek hatten.

Wenn meine Mutter "mal wieder ausflippte", riss sie die Schränke auf, die Sachen fielen ihr entgegen, weil ich mich nicht jedes Mal auf einen Stuhl gestellt habe, um die Sachen in den Schrank zu räumen, also schnell rein und Tür zu... Dann fing sie an zu keifen, "Schlampinchen" war eines der immer wieder fallenden Wörter, und: "Irgendwann schmeiße ich das alles aus dem Fenster!"

Dann sollte ich meine Sachen "gefälligst so zusammenlegen, dass sie ordentlich im Schrank liegen". Zusammen legen kein Problem. Zusammen lassen schon. Das Ergebnis: Sie nahm mir die Sachen aus der Hand und legte sie selber zusammen. Ich dachte mir, was nicht auf den Bügel muss, braucht man auch nicht akkurat zu falten. Davon abgesehen, dass man es nicht kann (ich kann es noch heute nicht), das sooo toll zusammengelegt im Schrank hinzulegen, ohne es direkt im Schrank zu falten... Wenn mein Mann schon keinen Wert darauf legt, warum soll ich diese Werte dann einführen - und vor allem gegen so viel Rebellion auf beiden Seiten?

Ich denke: Da machst du dir nur unnötig Arbeit. Leg alles ordentlich in die Schränke, und nach der nächsten Wäsche schmeißt dein Gatte wieder sein Zeug obendrauf, leg die Unterhemden mustergültig zusammen, und er schmeißt die sauberen Sachen aus der Waschmaschine ungeordnet einfach obendrauf und daneben. Warum machst du so was? Warum setzt du dich eine halbe Stunde hin und faltest diese tüddelige Unterwäsche zusammen?! Damit du es morgen wieder tun musst?!wink

Ha! Apropos morgen wieder tun: Warum fegst du die Krümel vom Frühstückstisch? Heute Abend kommen neue dazu. Warum saugst du im Flur? Morgen liegen die nächsten Staubmäuse unten. Warum machst du die Spüle sauber? Die wird sowieso wieder dreckig!

Klar, das klingt, als wäre jemand faul. Na und, ist man nicht Messie, weil man zu faul ist zum Aufräumen? Oder ist man so fleißig, dass man zum Suchen weniger Vakuum braucht, laugh sucht man gerne etwas? Muss ich eine Sache suchen, die ich nicht sehe? Weiß ich nicht, dass im Schrank Geschirr steht? laugh

Nun will ich mal beschreiben, wie ich versuche, aufzuräumen. Damit Außenstehende überhaupt verstehen können, warum ein Messie ohne Hilfe von Anderen immer ein Messie bleiben wird. Ich habe das gleiche Problem wie Tausende von Messies: Will ich eine Ecke frei räumen, um beispielsweise an den dahinter stehenden Schrank zu kommen, muss ich vorher eine andere Ecke frei räumen, um die Dinge dort hin zu packen.

Um besagte Ecke frei zu räumen, muss ich jedoch eine andere Ecke frei räumen, um die Sachen von dieser Ecke, an die die Dinge der anderen Ecke kommen, zu legen. So setzt sich das immer weiter fort: Ich muss von X nach Y räumen. Vorher muss ich Sachen von Y nach W räumen, damit Y für X frei wird. Dafür aber muss ich Sachen von W nach V räumen, V ist nicht frei, so muss ich von V nach U räumen, bis ich bei A angelangt bin. Dann kann ich erst die Entscheidung treffen, wo ich anfange. Jetzt stelle ich fest: Auch A ist vollgestellt.

Was tue ich, wo ich merke, ich muss mich entscheiden, Dinge weg zu werfen oder zusätzlichen Platz zu schaffen? Keller und Dachboden sind voll. Ich gehe also in die Werkstatt und zimmere einen Regalboden, der über dem Türrahmen plaziert werden soll. Ziel ist es, so viele Dinge wie möglich zu deponieren, um Dinge von B nach A zu räumen und von C nach B usw., bis ich endlich bei Z angelangt bin.

Ich bin also dabei, die Regalböden zu installieren, da merke ich, dass die Deckenleuchte im Weg ist. Das heißt natürlich: Ich muss die Lampe runter nehmen, habe also kein Licht. Muss eine Stehlampe aufstellen. Am Ende tappe ich im Dunkeln und habe ein Brett vorm Kopf, zusätzlich zum immer noch herrschenden Chaos, dessen Standort sich zwar verlagert hat, was jedoch nichts an der Existenz des Chaos ändert, und womit meine Probleme, keinen Platz zu haben und nicht zu wissen, wo meine Sachen sind, immer noch ungelöst bleiben. 

Was ist hier passiert? Hier hat sich jemand Arbeit gemacht, um die eigentliche Arbeit, nämlich das Aufräumen, nicht zu machen, und stattdessen wurde diese Aufräumarbeit noch ausgedehnt. Man schiebt die Entscheidungen, Dinge wegzugeben oder wegzuwerfen, immer weiter vor sich her, merkt, dass man sich von nichts trennen kann, aber gleichzeitig den Überblick völlig verloren hat. Man schafft immer mehr Platz, um immer mehr Dinge aufzubewahren, und hat immer weniger Platz, um sich darin zu bewegen. Man hat viele Dinge doppelt und dreifach, und begründet diese Tatsache damit, dass diese Dinge in jedem Raum sein müssen, weil man sie in einfacher Daseinsform nicht wieder findet.

Ist man Messie, weil man sich nicht von Dingen trennen kann? Ist man Messie, weil man Probleme mit der Mülltrennung hat (Früher nahm man eine Schaufel und einen Müllsack, und dann wurde rigoros weg geschafft.)? Ein Fitzelchen in den gelben Sack, ein Schnipselchen Papier ins Altpapier... 3 Mülltonnen in der Küche ermahnen den Messie, dem im TV geholfen wurde: "Jetzt ist doch alles kein Problem mehr, oder?"

Fehlt noch, dass in jedem Haushalt solche Miniaturtonnen in der Küche stehen anstelle eines Speiseschranks. Sondermüll, Papiermüll, gelber Sack, Biomüll, Restmüll... Ja, dann müssten alle Küchen voller Mülltonnen stehen, und wenn man kochen will, hat man den Eindruck: "Ist ja doch alles für die Tonne". Wer hat dann noch Lust, zu kochen?

Die Normalos halten uns für faul, dumm, verwahrlost, nicht wissend, was in unserer Wohnung stehen sollte und was nicht. Niemand macht sich wirklich Gedanken darüber, was dem Chaos zugrunde liegt, ob uns die Resignation angesichts der vielen Sondermüll-Aktionen alle 14 Tage wirklich die gelben Säcke und Altpapierberge auf dem Balkon stapeln lässt.

"Sind Sie Messie?.... Dann suchen Sie sich bitte eine andere Wohnung." Das passiert, wenn wir ins TV kommen und irgendwann eine Wohnung suchen müssen. Und wenn es Vermieter sind: Hier müssen wir aufklären und erklären, dass es keine Faulheit und kein Vandalismus ist, was uns zu unordentlichen Menschen macht, die am Rande der Gesellschaft leben.